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Wirtschaft neu denken – Die Donut Ökonomie

Die Donut-Ökonomie stellt einen alternativen Ansatz zur herkömmlichen Wirtschaftstheorie dar, der darauf abzielt, ökonomische Aktivitäten innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten zu halten und gleichzeitig das Wohlergehen aller Menschen zu gewährleisten. Das Konzept wurde von der britischen Ökonomin Kate Raworth entwickelt und erstmals in ihrem Buch „Donut Economics: Seven Ways to Think Like a 21st-Century Economist“, das 2017 veröffentlicht wurde, präsentiert.

Das Dilemma

Das kollektive Verständnis der Menschheit von Fortschritt ist Wachstum. Und insbesondere seit dem 20 Jahrhundert hat sich diese Anschauung in einem Wirtschaftssystem manifestiert, das genau diese Vorstellung von Fortschritt und Wohlstand zum Leitmotiv ihres Handelns erklärt: eine endlos steigende Wachstumskurve. Unabhängig davon, wie wohlhabend eine Nation ist, Politik und Wirtschaft sind sich einig: die Lösung fast aller Probleme liege im Wachstum der Wirtschaft.

Aber wohin hat uns diese Maxime geführt? Wir stehen vor einer globalen Krise. Denn wir leben auf einem begrenzten Planeten, der nur endlich Ressourcen zur Verfügung stellen kann und streben dennoch nach endlosem Wachstum. Zumindest sechs der neun planetaren Grenzen haben wir bereits überschritten und die Weltbevölkerung steigt. Und trotzdem verlangt das Dogma der Wirtschaft nach MEHR. Die Rechnung geht nicht auf.

Der Donut

Um diesem Dilemma entgegenzuwirken, hat Kate Raworth das Konzept der „Donut Ökonomie“ entwickelt. Der Begriff „Donut“ bezieht sich auf die grafische Darstellung dieses Konzepts, bei dem eine Donut-förmige Figur verwendet wird, um die zwei Hauptziele zu verdeutlichen: die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen und die gleichzeitige Einhaltung der planetarischen Grenzen.

Veranschaulichung des ‘Donut- Konzept’: Der grüne Bereich („im Donut“) symbolisiert den Idealzustand

Der innere Bereich des Donuts: Dieser Bereich repräsentiert die sozialen Grundbedürfnisse der Menschheit, einschließlich Nahrung, Wasser, Bildung, Gesundheit, Energie, Einkommen und politische Freiheit. Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass alle Menschen in diesem inneren Bereich leben können, ohne dass ihre grundlegenden Bedürfnisse vernachlässigt werden.

Der äußere Bereich des Donuts: Dieser Bereich repräsentiert die planetaren Grenzen, die nicht überschritten werden sollten, um die Stabilität des globalen Ökosystems aufrechtzuerhalten. Dazu gehören ökologische Faktoren wie Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Versauerung der Ozeane, Süßwasserverbrauch und vieles mehr.

Das Ziel der Donut-Ökonomie besteht darin, einen „sicheren und gerechten Raum für die Menschheit“ zu schaffen, der zwischen diesen beiden Bereichen, also IM Donut, liegt. Dies bedeutet, dass wir ökonomische Aktivitäten so gestalten müssen, dass sie die Bedürfnisse aller Menschen erfüllen, ohne dabei die Grenzen des Planeten zu überschreiten. Anstatt endlosen Wachstums muss sich die Wirtschaft im Zustand eines prosperierenden Gleichgewichts befinden.

Zusammengefasst: Die Idealsituation dieses Konzepts lautet IM Donut zu liegen, was für eine Nation bedeutet, dass sie die Bedürfnisse ihrer Bevölkerung erfüllen kann, ohne dabei die Grenzen des Planeten zu überschreiten. Keine einzige Nation dieser Welt erfüllt diesen Status. Die Nation, die dem wünschenswerten „Donut-Zustand“ am nächsten kommt, ist Costa Rica. Sogenannte „entwickelte“ Nationen können zwar die Bedürfnisse ihrer Bevölkerung erfüllen, schießen dabei jedoch so weit über die planetaren Grenzen hinaus, dass sie im Endeffekt die Lebensgrundlage aller Menschen gefährden.

Eine neue Perspektive

Das Narrativ von Fortschritt lautet bisher: Eine Nation nimmt an Wohlstand zu- durch diese Steigerung des Einkommens steigert sich der Zugang zu Energie- dies hat eine enorme Verbesserung des menschlichen Wohlbefindens zur Folge. Und anstatt nun die zweite Bedingung des Donuts zu erfüllen- innerhalb der planetaren Grenzen zu verweilen- resultiert dieser „Fortschritt“ in Konsum und Überschreitung der Grenzen. Dies ist ein sich ständig wiederholendes Muster.

Wie kommt man also in den Donut?

In einer Zeit von Globalisierung und zutiefst verflochtenen und vernetzten Wirtschaftssystemen kann man Länder nicht mehr als einzelne, abgegrenzte Systeme betrachten. In den Donut kommt man nur durch Kollaboration und ein kollektives Umdenken aller vorherrschenden Dynamiken. 
Kate Raworth beschreibt die derzeitige Handlungsweise folgendermaßen: „Take, Make, Use, Lose.“ Wir nehmen Ressourcen, produzieren Produkte, verkaufen und nutzen diese und werfen sie letztendlich weg. Und genau darin liegt der Knackpunkt: Diese Dynamiken müssen neu gedacht und designt werden. Anstatt Abfall zu generieren, müssen diese Ressourcen immer wieder neu genutzt, wiederverwertet und dem Kreislauf zugeführt werden, damit sich die Natur erholen und erneuern kann. Die Natur ist hierbei unser bestes Vorbild: So wie sie sich erneuert und regeneriert, so müssen wir auch mit den Produkten verfahren, die wir herstellen. Kate Raworth behauptet, dass das Leitmotiv „sustainable“ dafür nicht ausreiche. „Sustain“-  zu Deutsch „Aufrechterhalten“- sei nicht genug, da wir an einen Punkt angelangt sind, an dem die Menschheit zu viel zerstört hat. „Regenerative“ – „Wiederaufbauen und Erneuern“ als Leitmotiv, muss an vorderster Stelle stehen.

Eine Hand hält eine kleine Weltkugel

Die richtige Richtung

Manche Unternehmen beginnen langsam sich hin zu einer regenerativen Praxis zu entwickeln. Ein Beispiel dafür ist das Fairphone, das durch sein modulares Design ermöglicht, nur jene Komponente auszutauschen, die nicht funktioniert und somit dem massiven Ressourcenverbrauch entgegenwirkt. Als weiteres Beispiel nennt Raworth das  schwedische Modelabel „Houdini“, das nur organische Fasern und recycelte Materialien verwendet und seine Technologie und Knowledge teilt, um andere Unternehmen  bei ihren nachhaltigen Bemühungen zu unterstützen und ein kreislauffähiges Handeln zu erleichtern. Denn darum geht es: das Teilen von Wissen, gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit. Ein Miteinander, anstatt des üblichen Gegeneinander.

Distributive Wirtschaft

In der Donut-Ökonomie werden distributive Systeme als wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen und gerechten Wirtschaft betrachtet. Dies umfasst Mechanismen wie faire Löhne, soziale Sicherheitsnetze, Bildungschancen, Zugang zu Gesundheitsversorgung, gerechte Besteuerung und andere Maßnahmen, die dazu beitragen, die Kluft zwischen den wohlhabenden und den benachteiligten Teilen der Gesellschaft zu verringern.

Die Förderung distributiver Systeme zielt darauf ab, ein Gleichgewicht zwischen ökonomischem Wachstum und sozialer Gerechtigkeit herzustellen, indem allen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, an den Früchten des Wohlstands teilzuhaben, und indem die Ungleichheiten reduziert werden, die zu sozialen Spannungen und Ungerechtigkeiten führen können.

Beispielhaft für solch distributive Systeme sind Unternehmen wie „Creative Handicrafts“ aus Mumbai: Die Arbeiter:innen des Unternehmens sind gleichzeitig auch Eigentümer:innen. Oder „FairBnB“: Die Plattform basiert auf gerechte Entlohnung für die Gastgeber und gleichzeitig werden Einnahmen in die Stärkung lokaler Gemeinschaften gesteckt.

Aber ist das wirklich durchführbar?

Wir leben in einer Welt mit festgefahrenen Mustern und Dynamiken, die folgende Hauptziele verfolgen: Gewinnmaximierung und Produktivitätssteigerung. Wie kann man diese Strukturen neugestalten und zukunftsfähige, neue Praktiken einführen?  

Der springende Punkt ist: es geht nicht darum, wie nachhaltig ein Produkt designt ist- es geht vielmehr darum, wie das Unternehmen, das hinter dem Produkt steckt, konzipiert ist. Es geht um das Innenleben der Unternehmensstruktur.
Unternehmen müssen sich selbst hinterfragen: Wohin führt unser Unternehmensdesign im Moment und was muss sich ändern, wenn wir auch zukünftig wirtschaftlich eine Rolle auf diesem Planeten spielen wollen?  

Die Frage nach dem Purpose (Zweck): What is your Why?

Unternehmen sollten sich auf folgende fünf Einstellungen hinterfragen:

  • Purpose (Zweck): Unternehmen sollen nicht nur Profit anstreben, sondern auch einen positiven Beitrag zur Gesellschaft und Umwelt leisten.
  • Network (Netzwerk): Zusammenarbeit und Unterstützung zwischen Unternehmen, Gemeinschaften und Institutionen sind entscheidend, um gemeinsame Ziele zu erreichen.
  • Governance (Regierungsführung): Entscheidungsprozesse sollen demokratisch, transparent und partizipativ sein, um die Interessen aller Stakeholder zu berücksichtigen.
  • Ownership (Eigentum): Das Eigentum soll gerechter verteilt sein, um die Beteiligung und Mitbestimmung von Arbeitnehmer:innen, Gemeinschaften und der Öffentlichkeit zu fördern.
  • Finance (Finanzierung): Investitionen sollen in nachhaltige und gerechte Projekte fließen, die Umwelt, soziale Gerechtigkeit und lokale Wirtschaften unterstützen.

Allein funktioniert es nicht

Unternehmen allein können diese Transformation nicht stemmen.Die Politik ist von entscheidender Bedeutung für die Umsetzung des Donut-Konzepts, da sie die rechtlichen Rahmenbedingungen schafft, Anreize setzt und Ressourcen lenkt, um die Prinzipien der Nachhaltigkeit, sozialen Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Gleichheit zu fördern. Durch die politische Gestaltung von Gesetzen, Vorschriften und Anreizmechanismen können die Grundsätze des Donut-Konzepts in die Praxis umgesetzt werden, indem sie Unternehmen, Gemeinschaften und Institutionen dazu motivieren, nachhaltige und gerechte Entscheidungen zu treffen. Politik spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Bildung und Bewusstseinsbildung, um die Akzeptanz und Umsetzung des Donut-Konzepts in der Gesellschaft zu fördern und internationale Zusammenarbeit zur Bewältigung globaler Herausforderungen zu unterstützen.

Schlusswort

Können sich Länder neu orientieren? Können wir ein neues Gleichgewicht schaffen, mit all der Komplexität, die unser Wirtschaftssystem mit sich bringt, um an einen Ort des Gleichgewichts zu gelangen? Kate Raworth behauptet ja. Wirtschaft und Unternehmen seien ein rein menschliches Konstrukt: Wir haben sie erfunden, also können wir sie auch neu erfinden.

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