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Wiener Original mit Verantwortung: Katrin Segel über Senf, Innovation und Nachhaltigkeit

Wer in Österreich über hochwertigen Senf spricht, kommt an Ramsa-Wolf nicht vorbei. Seit Generationen steht das Unternehmen für Qualität, Verlässlichkeit und ein besonderes Gespür für ökologische Verantwortung. Unter der Leitung von Katrin Segel hat sich der traditionsreiche Betrieb weiterentwickelt – mit einem klaren Fokus auf regionale Wertschöpfung.

Wir haben mit Katrin Segel über nachhaltige Lebensmittelproduktion, persönliche Überzeugungen und die Rolle eines Familienunternehmens im Wandel der Zeit gesprochen.

Katrin Segel, Geschäftsführerin Ramsa Wolf

Hallo Katrin, Ramsa-Wolf ist ein Wiener Original mit viel Geschichte. Wie würdest du selbst das Herzstück eures Unternehmens beschreiben?

Stimmt, wir wurden sogar schon einmal als Wiener original ausgezeichnet. Einerseits sind wir schon seit fast 100 Jahren in Wien angesiedelt und identifizieren uns mit der Stadt und den Menschen. Andererseits verwenden wir ausschließlich Wiener Hochquellwasser und das ist eine der wichtigsten Zutaten. Das Wiener Wasser hat einen einmaligen Geschmack und einen großen Anteil am Produkt. Allein deswegen war für uns immer klar, wir wollen diesen Standort erhalten, um diese Zutat weiterhin nutzen zu können.
Außerdem gibt es in Wien die einmalige Würstelstand-Kultur und da braucht es natürlich auch einen passenden Senf. Da sehen wir uns sehr gerne als Wiener Original.

Was hat hier für dich Vorrang – Wien als Stadt oder generell der regionale Gedanke?

Für uns ist Regionalität in allen Belangen wichtig und das betrifft die Schaffung lokaler Arbeitsplätze genauso wie den Bezug unserer Rohstoffe. Nach Möglichkeit beziehen wir immer aus Österreich. Das hat verschiedene Auswirkungen: Wir haben überlegt unsere Produktion auf Bio umzustellen und mussten uns dann entscheiden, ob wir das mit Senfsaat aus dem Ausland umsetzen oder weiterhin mit österreichischen Bauern zusammenarbeiten. Die für uns erforderlichen Mengen an Senf sind in inländisch nur ohne Bio-Zertifikat erhältlich. Wir haben dann bewusst und im Sinne der Nachhaltigkeit und unserer Philosophie der Regionalität den Vorzug gegeben.

Was macht für dich ein gutes Lebensmittel aus?

In erster Linie ist es sicherlich der Geschmack und natürliche Zutaten. Es muss den Konsumenten einfach schmecken. Bei uns kommt hinzu, dass es eine gelebte Tradition ist. Viele Erwachsene kennen unsere Produkte schon aus ihrer Kindheit und wollen den gewohnten Geschmack. 

Die Klassiker der Senfmanufaktur Ramsa Wolf

Wie verändert sich der Blick auf Lebensmittel, wenn man sie nicht nur konsumiert, sondern selbst produziert?

In erster Linie ist es die Vermeidung von Verschwendung und die Frische. Das ist eine gelebte Nachhaltigkeit, die ich auch im privaten Konsum verfolge. Wenn ich einkaufe, ist mir auch die Regionalität und die Saison wichtig. Wenn ich Produkte nicht aus Österreich bekomme, achte ich zumindest auf europäische Herkunft.

Wie viel Senf verarbeitet ihr jährlich und wie schafft ihr den Balanceakt zwischen Hochwertigkeit und Menge?

Wir lassen jährlich ca. 40 Hektar Senfkorn anbauen und produzieren aus dem Ertrag ca. 200 Tonnen Senf. Im internationalen Vergleich ist das noch immer eine winzige Menge und keine Massenproduktion. Das ist definitiv noch ein Handwerk, das wir hier betreiben. Auch die über Generationen weiter gegebene Erfahrung hilft uns dabei, die Qualität sehr hochzuhalten.
Neben den großen Maschinen für den Supermarkt haben wir aber auch eine sehr kleinteilige Produktion für unzählige Partnerbetriebe, die den Senf direkt von uns beziehen. Ab 50kg können bei uns Firmen ihren eigenen Senf produzieren lassen. Das ist industriell nicht umsetzbar – da würde es an der Flexibilität fehlen.

40 Hektar Senf lässt Ramsa Wolf jedes Jahr in Österreich anbauen

Trüffel, Cranberry, Orange – ihr habt neben den Klassikern viele weitere Senfsorten. Wie entstehen die Ideen und wer darf bei euch kosten und mitentscheiden?

Rezepturentwicklung ist eine richtig spannende Sache. Speziell, weil wir für unsere Kunden verschiedenste Gourmet-Sorten entwickeln. Als ich vor 10 Jahren die Geschäftsführung von meiner Mutter übernommen habe, hat sie stattdessen unsere „Kreativabteilung“ gegründet und lässt ihre langjährige Erfahrung in die Entwicklung neuer Sorten fließen. Sie hat sogar ein eigenes Lexikon entwickelt, welche Zutaten miteinander gut harmonieren. Einer unserer Kunden hatte beispielsweise den eher ausgefallenen Wunsch für einen Kaffee-Senf und ich war überrascht, wie gut das Ergebnis war.
Welche finale Rezeptur umgesetzt wird entscheiden wir als ganze Familie und wenn es sich um einen Auftragssenf eines Kunden handelt, dann wird gemeinsam mit den jeweiligen Verantwortlichen entschieden.

Ramsa-Wolf entwickelt durchgehend neue Gourmet-Sorten Senf

Viele Firmen sprechen über Lieferprobleme und Abhängigkeiten. Was hat sich bei euch durch die letzten Jahre verändert – und wie sorgt ihr für Sicherheit in der Produktion?

Über 99% unserer Rohstoffe werden in Österreich angebaut, bzw. von hier bezogen. Mit unseren Lieferanten und Bauern kann ich persönlich sprechen und durch die kurzen Wege sind wir von internationalen Krisen weniger betroffen. Einzig die Preise sind auch für uns in den letzten Jahren gestiegen.
Die Sicherheit für den Bezug unserer Rohstoffe war für uns aber durchgehend sehr hoch. Die jahrzehntelange Zusammenarbeit und der persönliche Bezug zu unseren Bauern ist hier sicherlich ausschlaggebend.

Ist für dich Regionalität nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein emotionaler Wert?

Eindeutig ist das für unsere Familie ein emotionaler Wert. Mir ist das sehr wichtig, dass ich wie eben erwähnt mit unseren Bauern auf Augenhöhe sprechen kann.
Da wir im nächsten Jahr bereits unser 100jähriges Jubiläum feiern, gab es unser Unternehmen schon lange bevor die Globalisierung den Vormarsch antrat. Die durchgehend hohe Regionalität war für uns immer ein Investment in die Region und die Nachhaltigkeit, die nicht wirtschaftlich getrieben ist, sondern emotionale Wurzeln hat und aus unseren Überzeugungen entstand.

Findest du, dass Regionalität ausreichend gefördert wird?

Regionalität ist bei uns leider oft eine Preissache – da sehe ich die größte Schwierigkeit. Ich kenne mich bezüglich der Bauern in der Förderlandschaft nicht ausreichend aus, um da ein Urteil zu fällen. Aus meiner Sicht muss man sich Regionalität leisten wollen und das trifft am Ende auch auf die Konsumenten zu. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass sowohl Politik als auch die Menschen in Österreich ein sehr großes Bewusstsein für Regionalität haben.

Als Frage zum Abschluss: Wenn du heute einem jungen Menschen, der ins Lebensmittelhandwerk will, einen einzigen Rat geben dürftest – welcher wäre das?

Setze deinen Hausverstand ein! (lacht) Ich glaube das trifft auf viele Branchen zu. Vieles wird zu kompliziert und um die Ecke betrachtet.

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