Skip to content

Altes Handwerk, neue Wege – Interview mit der Wollwerkstatt Niederösterreich

In der Wollwerkstatt Niederösterreich trifft altes Handwerk auf neue Ideen. Im Interview erzählen Hanna und Florian Alber, warum sie auf regionale Schafwolle setzen, was sie antreibt – und was es bedeutet, gemeinsam ein Unternehmen zu führen.

Hanna und Florian Alber

Hallo Hanna, hallo Florian, was ist für euch das Faszinierende an Wolle als Werkstoff?

Hanna: Zum einen die unglaubliche Vielfalt an Verarbeitungsmöglichkeiten. Von Kleidung, Decken, Pölster, über Isoliermaterial bis hin zur Verwendung in der Landwirtschaft als Kälteschutz oder Dünger. Zum anderen, sie ist da – ein nachwachsender Rohstoff, der verfügbar ist.

Florian: Wenn man das große Glück hat mit Wolle zu arbeiten, merkt man welche Qualität der Rohstoff hat. Man merkt es beim Besuch vergleichbarer Betriebe, die Kunstfasern herstellen. In solchen Betrieben riecht es nach Kunststoff, die Luft ist schwer – man spürt sofort den Unterschied. Das gewebte Endprodukt fühlt sich vielleicht ähnlich an, aber es braucht 1000 Jahre, um sich zu zersetzen und Wolle ist ein Naturprodukt. Daraus kannst du etwas herstellen und nach Gebrauch geht sie in den Kreislauf zurück. Das ist auch für unser Team wichtig, das Material ist lebendig und alle bleiben beim Verarbeiten gesund.

Ihr verarbeitet hauptsächlich heimische Schafwolle. Warum ist euch das wichtig?

Florian: Schafwolle ist nicht gleich Schafwolle. Wir mussten lernen, die Eigenschaften richtig zu nutzen. Das Spannende ist, dass wir vieles nicht neu erfinden mussten – sondern wiederentdeckt haben. Es gibt immer weniger wollverarbeitende Betriebe und es ist ein Miteinander geworden. Anstatt zu konkurrieren, wird einander unterstützt und mitunter Generationen übergreifende Erfahrung getauscht. Allein zwischen dunkler und heller Wolle gibt es spürbare Unterschiede. Es ist außerdem das Grundgeschäft der Wollwerkstatt regionales Handwerk zu betreiben und dafür regionale Rohstoffe zu nutzen.

Florian mit aufbereiteter Wolle

Gibt es ein Produkt, auf das ihr besonders stolz seid, oder dass eine besondere Entstehungsgeschichte hat?

Hanna: Unsere Pölster, da steckt viel Arbeit dahinter, aber sie sind nachhaltig und individuell anpassbar. Da sie aus drei Teilen bestehen, nämlich dem Füllmaterial, wo man aus verschiedenen Varianten wählen kann, der Innensack und außen der nochmals mit einer dünnen Schicht Schafwolle gesteppte Überzug. Das hat zum Beispiel den Vorteil, dass man die Füllmenge nach eigenen Bedürfnissen anpassen kann. Wenn diese nach Jahren ausgetauscht werden soll, muss man keinen neuen Polster kaufen, sondern braucht nur die Füllung wechseln.

Florian: Unsere Decken, die mit schwarzer Schafwolle gefüllt sind. Ursprünglich war schwarze Wolle nicht dafür vorgesehen, sie ist grober als beispielsweise Merinowolle dafür aber ein günstigerer Rohstoff. Wir wollten ausprobieren mit der schwarzen Wolle hochwertige und gleichzeitig günstigere Decken herzustellen. Das ist bei uns noch nie gemacht worden. Am Schluss ist es uns gelungen und unsere Kundschaft freut sich, mit einer weiteren Option selbst zu entscheiden, wie weich sie die Decken haben wollen.

Mit schwarzer Wolle gefüllte Decke kurz vor Fertigstellung

Welche Rolle spielt für euch Nachhaltigkeit in eurem Alltag?

Florian: Regionalität und Profit passt oft leider überhaupt nicht zusammen. Mir ist besonders die regionale Wertschöpfung wichtig. Das bedeutet, Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen und möglichst viele Anteile der Produktion vor Ort zu haben. Jeder nach seinen eigenen Möglichkeiten, versuche ich auch andere dafür zu begeistern. Hier lebe ich und ich sehe es als Investment in mein direktes Umfeld.

Hanna: Für mich ist das auch relativ einfach zu beantworten. Egal ob für das Geschäft oder für mich, die Kinder… Ich schaue als erstes immer, was ich aus der Region beziehen kann. Auch die Kooperation mit pro local ist für uns ein Zeichen dafür. Sowohl in der Selbstreflektion und auch in der Transparenz hat uns das neue Impulse gegeben, unsere Prinzipien noch klarer umzusetzen.

Wie reagieren eure Kunden auf das Thema Regionalität?

Florian: Deshalb sind sie unsere Kunden. (lacht)

Hanna: Wir haben aber auch Kunden, die erst nach dem Besuch bei uns anfangen darüber nachzudenken, was sie eigentlich daheim haben und nicht regional ist. Aber der erste Grund, warum sie überhaupt zu uns kommen, ist die Qualität.

Florian: Tatsächlich entstehen aber auch überregionale Kooperationen. Wir haben einem Betrieb in Deutschland Decken von uns zum Verkauf geschickt und bekommen von dort jetzt regelmäßig Wolle zur Verarbeitung gesendet, weil er in seiner Region niemandem mehr findet, der das so gut machen kann.

Wolle vor der Verarbeitung, wie sie von den Bauern geliefert wird

Bei unseren Interviews mit EndverbraucherInnen ist es auch oft ein Thema, dass das Geld in der Region bleibt. Spürt ihr den Gedanken auch?

Florian: Das ist sicherlich ein sehr wichtiges Element. Dass man bei pro local auch geprüft wird, ob die Steuern vor Ort gezahlt werden, das Team vor Ort angestellt ist und Gewinne nicht ins Ausland transferiert werden, das finde ich aus persönlicher Überzeugung gut und es ist nicht leicht, diese Information leicht zugänglich zu machen.

Als Ehepaar einen familiären Betrieb zu führen ist sicherlich nicht immer einfach. Was könnt ihr dazu erzählen?

Florian: Frag Hanna! (lacht)

Hanna: Das ist ein Thema für ein ganzes Interview (ebenfalls am Lachen). Also Beruf und privat als selbstständige zu trennen ist eine Illusion. Das macht aber nichts, deswegen sind wir ja auch selbstständig und da funktioniert man nicht nur von 09:00 bis 17:00 Uhr. Wichtig ist aber, sich gegenseitig auch Ruhe zu gönnen und klare Kompetenzen zu definieren. Also wer, wofür zuständig ist. Große Entscheidungen treffen wir gemeinsam.

Florian: Am Anfang haben wir uns da erst finden müssen. Speziell für die gemeinsame Mitarbeiter-Führung ist es wichtig, dass jeder weiß, welche Themen Hanna verantwortet und wann ich ihnen helfen kann.

Wie motiviert euch an Tagen, an denen nicht alles rund läuft. Beziehungsweise wie kommt ihr da am besten raus?

Hanna: Es gibt natürlich die Tage, wo die Motivation nachlässt. Es gibt auch Rückschläge. Was wir uns beide an solchen Tagen sagen: „Überleg mal, was wir schon alles geschafft haben!“
Auf das sind wir beide sehr stolz und das gibt uns Kraft.

Trotz der großen Tradition schafft ihr immer wieder Innovationen. Wer entwickelt bei euch neue Produkte und wie entscheidet ihr was ihr in eurem Programm aufnehmt?

Hanna: Das sind eigentlich zwei Punkte. Florian ist der Kreative von uns beiden und kommt regelmäßig mit neuen Ideen und dann wird kalkuliert. Ob die Umsetzung kostenrealistisch ist.
Auch von unserem Team kommen immer wieder sehr spannende Ideen.

Florian: Wir haben auch die Erfahrung gemacht, uns dabei treu zu bleiben. Viele Ideen bleiben in der Schublade, da wir die Wollwerkstatt voranbringen wollen und nicht einen komplett neuen Schwerpunkt oder gar ein neues Business erfinden wollen.

Jede Decke wird in Handarbeit hergestellt

Wo seht ihr die Zukunft der Wollwerkstatt?

Hanna: Das Wichtigste ist die wirtschaftliche Stabilität als Basis. Wir wollen aber noch mehr Menschen für Regionalität und Wolle als Rohstoff begeistern. Da müssen wir weiterhin gute Aufklärung betreiben, weil vielen gar nicht bewusst ist, wie großartig der Rohstoff Wolle ist. Das soll einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden.

Florian: Wir sind am Anfang auch von zu viel Selbstverständnis ausgegangen, dass die Menschen viel mehr darüber wissen. Ein Beispiel ist die häufige Frage danach, wie oft die Decken gewaschen werden müssen. Da Schafwolle eine selbstreinigende Wirkung hat, ist es gar nicht notwendig die Decken immer wieder zu waschen. Sie durchklopfen oder aufhängen, um sie mit Sauerstoff zu versorgen ist der bessere Weg.

Was ist euer Rat an Menschen, die eurem Beispiel folgen und mit regional verfügbaren Ressourcen ein Handwerk gründen wollen?

Florian: Redet mit den alten Menschen. Schaut was es alles gibt und vielleicht aktuell nicht gebräuchlich ist. Da gibt es so viel Wissen, das verloren geht. Aber solange noch Menschen leben, die Jahrzehnte lange Erfahrungen weitergeben können ist es wichtig von ihnen zu lernen.

Hanna: Ja, zuhören ist sicher das wichtigste und lernbereit zu sein. Gleichzeitig glaube ich, dass der Mut wichtig ist, etwas Neues auszuprobieren. So schnell wie die Welt sich dreht, gibt es sicher immer wieder neue Anwendungsmöglichkeiten, die wir heute vielleicht noch nicht kennen.

Teile den Artikel mit Freund:innen und Kolleg:innen: