Eine Tafel Schokolade für nur 1 Euro? Schnäppchen! Geringer Preis, dafür große Freude für den oder die Schnäppchenjäger:in!
Die Wahrheit ist jedoch, dass der Preis der Schokotafel ganz und gar nicht gering ist, nur zahlt ihn nicht die Konsument:in an der Kassa. Die realen Kosten einer Tafel Schokolade erkennt man erst, wenn man einen Blick hinter die Kulissen wirft und sich die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Produkts vor Augen führt. Denn den wahren Preis einer Tafel Schokolade zahlen jene Menschen, die unter oft widrigsten Arbeitsbedingungen, illegaler Kinderarbeit und moderner Sklaverei auf Kakaoplantagen arbeiten müssen. Den wahren Preis zahlen auch jene Menschen, die unter möglichen Umweltauswirkungen leiden, die ein nicht nachhaltiger Kakaoanbau nach sich zieht. Wäre man sich dieser sozialen und ökologischen Kosten vorm Süßigkeiten-Regal im Supermarkt bewusst, würde man vermutlich weniger unverblümt nach der günstigen Schokotafel greifen.
Was wäre also, wenn der Preis eines Produkts seine realen Kosten für Gesellschaft und Umwelt widerspiegelt? Wenn in der Kostenrechnung eines Produkts nicht nur die direkten Kosten, wie Material, Produktionsmittel, Arbeitskräfte etc. berücksichtigt werden, sondern auch die indirekten Kosten wie Umweltverschmutzung und soziale Ungleichheit?
Genau mit dieser Frage beschäftigt sich das True Cost Accounting (TCA).
Das Prinzip des True Cost Accounting
Bei der Ermittlung der wahren Kosten für Lebensmittel- und Landwirtschaft geht es darum, die tatsächlichen Kosten und Vorteile verschiedener Lebensmittelproduktionssysteme zu berechnen.
Viele unserer aktuellen Systeme der Lebensmittelproduktion haben schädliche Auswirkungen auf die Umwelt, das Wohl der Tiere und die öffentliche Gesundheit. Diese negativen Folgen werden jedoch selten berücksichtigt und weder von Kund:innen noch von Erzeuger:innen bezahlt. Stattdessen tragen wir diese Kosten auf versteckte Weise, beispielsweise durch Wassergebühren, die die Kosten für die Entfernung von Pestiziden aus dem Trinkwasser beinhalten, Kosten für die Gesundheitsversorgung bei ernährungsbedingten Krankheiten oder durch Steuern, die für die Umweltsanierung aufkommen.

Diese verdeckten Kosten werden häufig auf zukünftige Generationen oder andere Länder abgewälzt, wie es derzeit beispielsweise beim Klimawandel, der Zerstörung des Regenwaldes oder dem Biodiversitätsverlust der Fall ist.
Das True Cost Accounting berücksichtigt jedoch nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Effekte der Lebensmittelproduktionssysteme. Zu diesen positiven Effekten gehören beispielsweise die Erhaltung und Wiederherstellung der Biodiversität, die durch nachhaltige Landwirtschaftsmethoden gefördert wird, sowie die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und Erosionskontrolle durch Praktiken wie Fruchtwechsel und Gründüngung. Auch der Erhalt geschätzter Landschaftsformen kann ein versteckter Dienst der Landwirtschaft sein, der bisher ebenfalls nicht durch den Preis eines Produkts abgebildet und entlohnt wird.


Ist es also nicht paradox, dass die scheinbar „billigsten“ Lebensmittel in Wahrheit oft die teuersten für unsere Gesundheit, Gesellschaft und Umwelt sind? Und, dass nachhaltige und gesunde Lebensmittel, die vorwiegend positive Auswirkungen haben, sehr teuer und daher für viele Menschen nicht leistbar sind?
Das True Cost Accounting bietet einen Ansatz für die Korrektur dieses so verzerrten Preissystems.
Aussichten
Durch das Fachgebiet des True Cost Accounting können diese sogenannten externen Effekte der Lebensmittelproduktion erfasst und bewertet werden und durch die Identifikation aller positiven und negativen Auswirkungen, können Produkte mit ihrem wahren Preis versehen werden. Das TCA ermöglicht die Ermittlung essenzieller Daten über den Nutzen bestehender Ernährungssysteme, weshalb es eine zuverlässige und wesentliche Basis für politische Entscheidungen darstellen kann. Es könnte künftig als politisches Instrument eingesetzt werden, um Anreize für einen nachhaltigen und gesunden Lebensmittelkonsum zu schaffen und eine umfassende Umgestaltung der Ernährungssysteme zu fördern. Durch die Einbeziehung der wahren Kosten von Lebensmitteln in die Preisgestaltung – einschließlich der ökologischen und sozialen Auswirkungen – kann TCA politische Entscheidungsträger dabei unterstützen, Maßnahmen zu entwickeln, die nachhaltige Praktiken belohnen und umweltschädliche Methoden sanktionieren.
Zum Beispiel könnten Steuern auf umweltschädliche Produktionsweisen erhoben und Subventionen für umweltfreundliche und gesundheitsfördernde landwirtschaftliche Praktiken bereitgestellt werden. Dies würde die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern und sowohl Produzent:innen als auch Konsument:innen dazu motivieren, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen.
Denn Fakt ist, das es politische Maßnahmen braucht, um ein globales und zukunftsfähiges Ernährungssystem zu schaffen, das den Zielen der sozialen Gerechtigkeit und der Umwelt gerecht wird.